Flexibilität im Handel in Zeiten des Corona-Virus

Flexibilität im Handel in Zeiten des Corona-Virus

Von Oliver Richter, CTO, EOD European Online Distribution GmbH

Tja...das ist mal 'ne turbulente Zeit, oder?

Natürlich betrachten auch wir den Rückgang der Umsätze bis zu einem Drittel mit Sorgen.

Tägliche Bedarfsartikel boomen natürlich, da der Weg in den Supermarkt unattraktiv ist. Auch Netzwerk und da vor allem Kommunikation hat zumindest jetzt am Anfang gute Nachfrage. Für Mode stimmt das leider nicht, da gibt es auch online Rückgänge.

Götz Herzog, Geschäftsführer von EOD

Da ich jedoch das grosse Glück habe, von Haus aus mit einer ordentlichen Portion Optimismus ausgestattet worden zu sein, sehe ich diese Situation auch als Chance in vielen Bereichen.  

Eltern "beschulen" ihre Kids mit Kanban-Boards. Chefs lernen ihren Mitarbeitern im Home Office zu vertrauen. Deutsche Unternehmen (z.B. Bosch Healthcare) arbeiten wieder ihre Stärken im Engineering heraus. Menschen verstehen, dass eine 6000er DSL-Leitung heutzutage nicht der Standard sein sollte. Wildfremde Leute helfen sich völlig uneigennützig.

Diese Krise bringt richtig viel in Bewegung! Und fordert heraus!

Für uns bei der EOD kommt diese Krise direkt nach dem erfolgreichsten Jahr der Firmengeschichte. Wir sind in den letzten Jahren stark gewachsen, sind umgezogen in ein neues Gebäude, haben Büros und die Logistik großzügig ausgebaut. Damit wurden viele Arbeitsplätze geschaffen, die es nun möglichst zu erhalten gilt. Wie gehen wir also mit der Situation um?

Nun, zuerst einmal gilt es unserer Meinung nach, einen kühlen Kopf zu bewahren und die Situation von Tag zu Tag neu zu bewerten. Unser Geschäftsführer Götz Herzog beschreibt das, was aktuell geboten ist, als "auf Sicht fahren". Man kann in dieser Zeit nicht darauf vertrauen, dass sich Lieferanten und Kunden weiterhin so verhalten, wie bisher. Wir haben über die letzten 14 Jahre sehr gute und teilweise auch sehr persönliche Kontakte zu Herstellern und Partnern aufgebaut und das zahlt sich in solchen schwierigen Situationen natürlich aus. Die direkte Kommunikation erleichtert vieles und es besteht Konsens, dass man diese Lage gemeinsam meistern wird.

 

Schwere Zeiten für Ladengeschäfte

Da wir größtes Augenmerk auf den Schutz unserer Mitarbeiter in den deutschlandweit 7 eigenen VIVOBAREFOOT Stores legen, wurden diese umgehend vorübergehend geschlossen. Gerade für den Einzelhandel ist diese Situation natürlich besonders bitter. Zumal wir unsere Läden einen Tag vor Schliessung noch mit neuer Ware bestückt haben, die die Kunden sehr gern vor Ort in Freiburg, Köln, Bonn, Düsseldorf, Dresden, Leipzig und Hamburg anprobieren würden. Unsere 8 Franchise-Nehmer befinden sich in einer noch misslicheren Lage als wir, da wir mit dem Online-Handel den Ausfall zumindest teilweise auffangen können. Alles in allem wird der Einzelhandel einen langen Atem beweisen müssen.

Eine schwierige Situation als Katalysator für neue Prozesse

Im Hauptquartier in Freiburg herrscht momentan eine Mischung aus Mitarbeitern, die teilweise oder ganz im Home Office arbeiten und den Kollegen, die vor Ort dringend gebraucht werden, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Wir lernen gerade die Effizienz von remote Arbeit mit der Notwendigkeit, unsere Logistik und weitere Bereiche am Laufen zu halten, zu verbinden. Unsere Mitarbeiter überzeugen uns dabei mit hervorragendem Einsatz und verantwortungsvollem Umgang mit der Situation. Jeder weiss "jetzt gilt's" und packt dort an, wo Hilfe gebraucht wird. Das gibt uns in der Geschäftsleitung ein gutes Gefühl und wir bemühen uns, wo es möglich ist, auf die individuellen Bedürfnisse der Kollegen einzugehen.

Einige Mitarbeiter lernen gerade das Thema "Home Office" überhaupt erst kennen und merken, dass die konzentrierte Arbeit ohne Unterbrechungen sehr effektiv aber auch anstrengend(er) sein kann. Sie teilen uns jedoch auch mit, dass ihnen die Kollegen vor Ort, das Miteinander in der Cafeteria und der direkte Austausch in den Meetings fehlen. Hier arbeiten wir in allen Bereichen daran, die Mitarbeiter aus ihrer Isolation daheim zu holen. Wir setzen dabei auf Video-Chats via Slack und verwenden moderne Telefonieanbindung über die von unserem Shop VOIPANGO vertriebene IP-PBX Lösung von Yeastar. Damit ist jeder daheim unter seiner Durchwahl zu erreichen und es können blitzschnell Telefonkonferenzen "zusammengeklickt" werden. Eine sehr smarte Lösung!

Die Mitarbeiter, die weiterhin zu uns in die Firmenzentrale kommen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten, sind über unsere Maßnahmen informiert. Wir desinfizieren mehrfach täglich alle Griffe und Oberflächen, stellen alles Notwendige zur umfassenden Handhygiene zur Verfügung und erinnern daran, die Abstandsregelung einzuhalten. Dabei helfen uns kleine "Erinnere-michs".

Weiterhin nutzen wir die Gelegenheit, neue Tools wie ConceptBoard, Retrium und MetroRetro für Collaboration und remote work auszuprobieren. Die erste komplette remote Retrospektive im Dev-Team war schon sehr vielversprechend und ich habe den Eindruck, dass uns auch hier die Situation neue Möglichkeiten und Chancen eröffnet. 

Unsere Entwicklungsabteilung hat in Windeseile eine kleine Plattform gebaut, die es uns ermöglicht, viele Anleitungen und Tools für die Home Office Neulinge bereit zu stellen. Ich pflege diese Anleitungen in Evernote und verlinke die Notizen. Somit sind sie immer aktuell und es bedarf keines Pflegeaufwands. Erste Mitarbeiter melden stolz zurück, dass sie ihren Arbeitsplatz daheim mit der Hilfe der Informationen dieser Plattform komplett selbständig einrichten konnten. Es ist wunderbar, wie selbstverantwortlich unser Team mit dieser komplett neuen Situation umgeht!

Die Shop-Entwicklung steht nicht still

Langweilig wird es im Bereich Weiterentwicklung unserer Shops auch in der Phase nicht. Grad letzte Woche sind wir nach einigen Monaten Vorbereitung und Unterstützung durch unseren Partner ScaleCommerce auf ein neues Setup umgezogen - natürlich komplett remote. Jeder Teilnehmer hat von sich daheim daran mitgearbeitet. Die neue Plattform ermöglicht unserer OXID Enterprise Edition mit ihren aktuell 6 Shops deutlich schnellere Ladezeiten, ein verbessertes Deployment sowie die Unabhängigkeit des Marketings vom Dev-Team. Darauf aufbauend werden wir in den nächsten Wochen an Themen wie "Automatisierte Tests" arbeiten. Auch viele neue Features auf Basis des Oxid Frameworks werden durch unsere beiden Entwicklerinnen hervorragend umgesetzt. Ich bin glücklich, aktuell in der Lage zu sein, mit ihrer Hilfe nahezu alle Wünsche des Marketings und Vertriebs zeitnah ausrollen zu können.

Kommen wir zum neuralgischen Bereich eines jeden Online-Handelsunternehmens, das sich nicht auf Fullfillment und Dropshipping verlässt, sondern Ware auch tatsächlich am Lager hat: der Logistik. Hier darf ich sagen, dass sich die Kollegen hervorragend an die neue Lage adaptiert haben. Sofort wurde umgestellt auf 2-Schichtbetrieb. Arbeitszeiten wurden individualisiert und Picken & Packen in unseren beiden Lagerhallen findet weitgehend getrennt statt. Externe Mitarbeiter der Transportdienstleister werden mit Mundschutz in Empfang genommen und nicht mehr ins Gebäude gelassen. Mit all diesen Maßnahmen hoffen wir zu gewährleisten, dass ein Corona-Fall im Lager nicht zum Stillstand des gesamten Unternehmens führen kann.

Parallel dazu entwickeln wir uns auch hier weiter und setzen demnächst auf eine Multi-Carrier-Lösung, die uns weltweiten Versand einiger Sortimente sowie besseres Tracking und Retourenmanagement ermöglichen wird. Schon heute legen wir personalisierte Retourenlabels bei und erfassen sie direkt beim Eingang der Rücksendung. Dann reagieren wir sofort mit einer Information an den Kunden darauf. Das schafft Vertrauen und reduziert die Nachfragen. Wir haben in den nächsten Monaten viel vor im Bereich Prozessoptimierung!

Marktplätze als wichtiger Absatzkanal

Natürlich verkaufen wir auch einen Teil des Sortiments – vor allem die Barfußschuhe von VIVOBAREFOOT, aber auch die unserer eigenen Marke GROUNDIES – über diverse Marktplätze. Einen großen Anteil davon über Amazon. Hierbei ist es wichtig, dass unsere langjährigen Partner Seidemann:solutions und Brickfox sowie die Jungs von ShopCockpit weiterhin ihre Unterstützung bei der Bestückung dieser Marktplätze & Portale aufrecht erhalten und gleich zu Beginn dieser Situation Hilfestellung bei neuen Herausforderungen bekundet haben. Mit diesen Unternehmen an unserer Seite sind wir top aufgestellt!

Wie schaut es also aktuell aus bei uns?

Dank der guten Strategie unseres Vertriebs sind zumindest die Lager prall gefüllt. Wenn hoffentlich in wenigen Wochen die Kauflust der Kunden trotz Corona wieder erwacht, sind wir bereit und zumindest vorerst geht uns die Ware nicht aus. Wie das dann ausschaut, wenn die Situation einige Monate anhält, wird man dann sehen. Es könnte uns zumindest mit unserem Konzept gelingen, die nächsten Monate weiterhin lieferfähig zu bleiben. Darauf bauen wir!

Gibt’s einen Ausblick?

Wir werden sehen, welchen Auswirkungen die Situation auf die Weltwirtschaft hinterlässt. Ganz sicher wird in vielen Bereichen eine Marktbereinigung stattfinden. Viele kleine Unternehmen wird es in einigen Monaten nicht mehr geben. Unser hochmotiviertes Team fühlt sich jedoch gewappnet und bereit, während und auch nach der Corona-Krise alles zu tun, um unsere Kunden bestmöglich zu versorgen.

AUTOR:

Oliver ist Agiler Enthusiast sowie Coach und arbeitet als CTO in einem Freiburger Handelsunternehmen. Die EOD GmbH betreibt eine OXID Enterprise Edition mit Shops unterschiedlicher Sortimente sowie deutschlandweit Ladengeschäfte für Barfußschuhe.

Quote: Nichts in meinem Arbeitsleben hat mich je so beeindruckt, wie zu erleben, welche Energie von einem Team ausgehen kann, das selbstsicher mitteilt - Wir schaffen das!

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